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Konzert-Bericht
 
Sprungbrett Vergangenheit

Hoboken Division
The Artakees

Köln, Sonic Ballroom
24.02.2024

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Hoboken Division
In Hoboken, einen Steinwurf von New York City auf der anderen Seite des Hudson Rivers gelegen, zeigten einst legendäre Bands wie The Feelies oder Yo La Tengo, wie spannend es klingen kann, wenn man sich auf den Schultern alter Idole, aber ohne Scheuklappen auf die Suche nach einem neuen, aufregenden Sound macht. Hoboken Division stammen zwar nicht aus dem kleinen Nest in New Jersey, sondern aus dem französischen Nancy, verfolgen aber offenbar ganz ähnlich Ziele, wenn sie das Erbe so unterschiedlicher Giganten wie The Velvet Underground, Suicide, NEU! oder RL Burnside mit Köpfchen und Leidenschaft in die Gegenwart tragen. Das funktioniert auch auf der Bühne prächtig: Mit dem vor wenigen Tagen veröffentlichten Album "Psycholove" im Gepäck hat die Band um Frontfrau Marie Rieffly im rappelvollen Sonic Ballroom in Köln an diesem bitterkalten Februar-Wochenende keine Mühe, zwischen wohliger Düsterkeit und rabiaten Ausbrüchen vom ersten Ton an zu begeistern.
Zuerst stehen allerdings The Artakees auf der Bühne, die mit dem Publikum für rund 45 Minuten in die Vergangenheit abtauchen. Mit punkiger Coolness streifen die fünf Herren aus dem Rhein-Ruhrgebeat in ihren Songs so ziemlich alles, was Garagen-Rock-Aficionados in den 60ern und 70ern zwischen wuchtigem British-Invasion-Sound und melodieseligem Power-Pop lieb und teuer war, und können dabei mal mit Urwüchsigkeit und mal mit Liebe zum Detail aufwarten. Auch wenn sie mit den Songs ihres 2020er-Debüts "Rush" oft eher an eine Gossenversion von The Who erinnern, ist das Highlight ausgerechnet eine der ruhigeren Nummern, wenn man bei "The Land Of Milk And Honey" The Rapsberries in der Ferne grüßen zu hören glaubt. Dass das Quintett bisweilen etwas zu nah an seinen Idolen klebt, ist nur ein kleiner Wermutstropfen, und außerdem lässt ein guter Supportact natürlich noch etwas Luft nach oben für den Headliner.

Nicht, dass Hoboken Division Hilfe von ihrer Vorgruppe gebraucht hätten. Mit unbändiger Freude am eigenen Tun - gleich mehrfach strahlt die Band mit den Menschen vor der Bühne um die Wette -, stürzt sich das französische Quartett in sein gut 75-minütiges Set und zeigt dabei, wie fabelhaft es klingen kann, wenn man seine Ideen gestern und vorgestern findet, die Vergangenheit dann aber nicht als Richtschnur, sondern als Sprungbrett benutzt. Denn auch wenn die einzelnen Teile des Sounds von Hoboken Division - Garage-Rock, Delta Blues, Krautrock, Psychedelia, Proto-Punk und ein Hauch von New Wave - durchaus vertraut klingen und man ziemlich sicher nicht falsch liegt, wenn man behauptet, dass die Band weiß, wer The Kills, Jon Spencer Blues Explosion, The Kills, Yeah Yeah Yeahs oder PJ Harvey sind, jonglieren die vier so geschickt und gekonnt mit den Versatzstücken, dass am Ende die Referenzen keine große Rolle mehr spielen. Überhaupt ist die Band stets für den Blick über den Tellerrand offen. Neben betont klassisch klingenden Songs wie "Legion" gibt es deshalb auch immer wieder Ausreißer wie "Fool Moon", das um einen elektronischen Beat aus dem Sampler kreist.

Denn auch wenn es leichtfällt, gleich zu Beginn Sängerin Rieffly als Star der Show auszumachen, wenn sie mit Janis Joplin'scher Urgewalt und Kim Gordon'scher Coolness alle Blicke auf sich zieht, wird ziemlich schnell klar, dass hier alle vier maßgeblich daran beteiligt sind, dass das Ergebnis am Ende größer ist als die Summe der einzelnen Teile, denn Hoboken Division sind gesegnet mit einem Gitarristen, der mühelos zwischen Stilen und Stimmungen hin- und herspringt, einem Schlagzeuger, der sich mit vollem Körpereinsatz und herrlich expressiver Mimik in Keith-Moon-Manier in seine facettenreiche, unglaublich druckvolle Performance wirft und auch als Harmoniesänger glänzt, und einem Bassisten, der auch noch Keyboards und Fußorgel bedient, als gäbe es keine leichtere Aufgabe für ihn.
Das Energielevel bleibt dabei praktisch während der gesamten Show hoch (das Titelstück der neuen LP ist eine der wenigen Atempausen), zumal sich die Band nicht mit langwierigen Ansagen aufhält, sondern kraftvoll, leidenschaftlich und authentisch lieber die Musik sprechen lässt. Steht anfangs noch die just veröffentlichte neue LP im Mittelpunkt, gibt es gegen Ende auch Rückgriffe auf frühere Platten, schließlich existiert die Band bereits seit mehr als zehn Jahren. Mit "Sugardaddy" steht einer der allerersten Songs von Hoboken Division auf der Setlist, und eigentlich soll dann nach "Cold Water", das mit dem Slide-Part von Gitarrist Mathieu Cazanave, der Mundharmonika von Rieffly und dem Hammergroove von Drummer Thibaut Czmil fast irgendwo zwischen frühen Spiritualized und späten Stone Roses landet, Schluss sein, doch obwohl es inzwischen kurz vor Mitternacht ist, will das Publikum die Franzosen noch nicht gehen lassen. Für die Zugabe geht es dann noch weiter zurück zu den Wurzeln, denn zuerst steht "Shake 'em On Down" von Mississippi-Blues-Veteran RL Burnside auf dem Programm, bevor dann alle Dämme brechen und der Abend laut und wild mit "White Light/White Heat" von den Velvets zu Ende geht.

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Surfempfehlung:
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hobokendivision.bandcamp.com
theartakees.com
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Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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